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vitus beim fotografieren
GRÖNLAND, WESTKÜSTE:
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Wenn Männer keine Gewalt ausüben können
Die Zwangseinehe der Ringelrobben

 Abends haben wir Kap Farewell, die Südspitze Grönlands, in Richtung Nordwest umrundet. Hier bilden Meeresströmungen, die an der Ost- und Westküste der größten Insel der Welt südwärts fließen, einen Strudel von 40 Kilometern Durchmesser, in dem sich weiß gleißende Eisberge und Treibeis in kaum vorstellbaren Massen stauen und das Bild eines fernen Planeten vermitteln. Mit einsetzendem Abendrot, das im Sommer bis zum Morgenrot andauert, müssen wir mit der »World Discoverer« mitten durch diese Urweltlandschaft hindurch. Anfangs kann Kapitän Lampe den großen Schollen noch ausweichen. Dann ist ringsum alles dicht. Mit zwei Meilen Fahrt schieben wir langsam das Eis zur Seite. Kreischend schaben die Schollen am Schiffsrumpf entlang. Unsere kleine Nachtmusik.

 Hier beginnt die Welt der Eismeer-Ringelrobbe, einer nahen Verwandten des Seehundes in Nord- und Ostsee, nur daß ihr Fell nicht gepunktet, sondern mit fünfmarkstückgroßen Ringen (daher der Name) geschmückt ist. Mit 90 Kilogramm ist sie menschenklein und lebt in einer Art Einehe mit fast permanenter Abwesenheit des Mannes. Ihr Lebensbereich dehnt sich nach Norden bis weit in festes Packeis hinein und endet erst am 87. Breiten­grad, nur 300 Kilometer vom Nordpol entfernt. Wie kann dieses Tier dort existieren?

  Es herrscht finstere Nordpolarnacht. Erbarmungslos fegt der Schneesturm über die endlose Packeiswüste. Im Umkreis von mehr als 500 Kilo­metern kein festes Land, kein offenes Meer, nur Eis und Schnee. Und doch zottelt ein Eisbär durch die lebensfeindliche Einsamkeit. Was für Beute will er hier wohl schlagen?
RingelrobbePlötzlich hält er inne, steigt auf die Hinterbeine, macht einen Hecht­sprung und kracht in voller Wucht mit beiden Vorderpranken durch split­terndes Eis. Doch noch im Sprung hört er unter sich etwas klatschen, als wäre ein schwerer Gegenstand ins Wasser gefallen. Da wußte der Bär, daß die Anstrengung vergebens war, und trollte mißmutig weiter.

Sein Ziel war der Iglu einer Ringelrobbe. Von dieser Art leben heute noch etwa 5 Millionen Tiere in der nordpolaren Eiswüste, wenngleich als Einzelgänger mit jeweils 0,5 bis 3 Kilometer Abstand zum Nachbarn. Nur weil es hier Ringelrobben gibt, können Eisbären in dieser extrem unwirtlichen Region existieren.

Aber leicht macht die Robbe dem Bären das Leben nicht. Ähnlich wie ein Maulwurf unterhält sie im Polareis ein kompliziertes Gangsystem. Aus­gangspunkt ist ein Luft- und Schlupfloch im bis zu drei Meter dicken Pack­eis, das die Robbe mit dem Hauch ihres warmen Atems und mit den Zähnen nagend ständig offenhält und das sie gegen Artgenossen erbittert verteidigt.
Ringelrobbe unterm Eis Von hier aus startet die einsiedlerische Robbe, die ein halbe Stunde lang unter Wasser bleiben kann, zu ihren Jagdausflügen, bei denen sie vorwiegend Polardorsche fängt. Das sind ebenfalls Überlebenskünstler, und zwar die einzigen Fische, die im auf minus 1,7 Grad unterkühlten Wasser nur deshalb nicht erfrieren, weil sie eine Art Frostschutzmittel im Blut haben. Andere Fischarten vermögen unter der nordpolaren Eiskappe nicht zu exi­stieren.
Die Ringelrobbe weiß ihr höchst privates Luftloch stets mit nachtwandle­rischer Sicherheit unter dem Eis wiederzufinden. An dieser Atemmöglich­keit hängt ihr Leben. Die Heimkehrerin stemmt sich im Rohr dezimeter­weise nach oben, etwa wie ein Bergsteiger in einer schmalen Gletscherspalte.

 Im Winter, während der monatelangen Polarnacht, wenn sie keine Sonnenbäder auf dem Eis nehmen kann, baut sich die Ringelrobbe über diesem Loch einen regelrechten Iglu im langsam vereisenden Schnee. In ihm legt sie die Kinderstube für ihr Baby an. Der Bau verfügt über ein Atemloch bis dicht unter der Schneeoberfläche, das aber von außen unsichtbar bleibt. Dennoch könnte es der Eisbär erschnüffeln; Deshalb leitet die Robbe ihre ausgeatmete Luft zunächst unter eine seitlich liegende Sammelkuppel. Sie wittert der Bär zuerst. Unerfahrene brechen dann auch an dieser Stelle ins Leere, während die Robbe durch ihre Notrutsche flieht. Dann hört der weiße Petz nur noch das Klatschen im Wasser, wie eingangs berichtet.
Und nun hängt es vom Trickreichtum beider Gegner ab, wer wen wie überlistet. Eine dichtgedrängte Ansammlung von Ringelrobben, wie wir sie von Seelöwen und See-Elefanten kennengelernt haben, wäre artgefähr­dend tödlich. Deshalb das Einzelgängertum.

  Daß die Männchen bei einer derartig weit verstreuten Verteilung der Weibchen auf dem Eis nicht die geringste Chance haben, sich einen indivi­duenreichen Harem zuzulegen, dürfte einleuchten. Das Nachbarmännchen sucht zur Paarung ganz einfach seine Nachbarin auf - und da alle Robbinnen fast gleichzeitig heiß werden, ist den Männern jegliche Basis zur Viel­weiberei entzogen. Deshalb sind die Ringelrobben so brav monogam.
Mit diesem Vergleich der Ringelrobben mit den Galapagos-Seelöwen und den Südlichen See-Elefanten verfügen wir über eine brauchbare Ausgangs­basis für weitere Untersuchungen der Ehe- und Haremsverhältnisse im Reich der Robben.

Für alle Textinhalte und Fotos gilt ©2010 by Vitus B.Dröscher, Für alle Zeichnungen©2010 by Till ClaudiusDröscher ; Hamburg
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