NORD AMERIKA, DEATH VALLEY | |
Das Parfüm des Stinktieres Es geschah in jener Region des kalifornischen Death Valley, des berühmten Tal des Todes, in dem schon inuner nicht alles mit rechten Dingen zuging. Weit im Nordwesten, nur mit dem Geländewagen zu erreichen, breitet sich zu Füßen der Panamint -Gebirgskette ein trockengefallener Seeboden aus, der aus hartem und absolut ebenem Sand besteht. Darauf liegen einige zentnerschwere Felsbrocken, die eine Kriechspur, wie von Geisterhand geschaffen, mehrere Dutzend Meter weit hinter sich herziehen: eine deutlich vom Stein in den Untergrund eingedrückte Fährte. Geschwindigkeit ein bis zwei Zentimeter pro Jahr. Felsbrocken, die laufen können! In ebendieser Region treibt auch ein »Nachtgespenst« im schwarzweißen Pelz sein Unwesen: das Stinktier, in vornehmerer Form als »Skunk« bezeichnet. Wie der negative Held in Patrick Süskinds Roman Das Parfüm ist auch dieses Wundertier der Herr der Düfte. Im körpereigenen Labor produziert es berauschenden Liebeszauber ebenso wie chemische Keulen, die einen Mann glatt umhauen. Dazu ist es mit einem Geruchssinn begabt, der die empfindlichste Hundenase bei weitem übertrifft und seinen Besitzer mit nahezu hellseherischen Fähigkeiten ausstattet. Liegt die Mojavewüste, zu der auch das Death Valley gehört, in der Gluthitze des Tages nahezu ohne tierisches Leben wie ausgestorben da, so beginnt sich mit Anbruch der Abenddärnmerung allenthalben in Erdlöchern und unter Büschen einiges zu regen. Auch der »Stänker« wird aktiv und trollt sich auf eine nahe Hügelkuppe, seinen Aussichtsturrn oder besser: »Ausriechturm«. Er richtet sich auf, bläht die Nasenlöcher und schnüffelt nach allen Richtungen gegen den lauen Wind. Sogleich hat er sich mit der Lage vertraut gemacht: Zwei Meilen weiter ist sein Nachbar ebenfalls schon rege. Fünf Meilen westwärts schleicht ein Puma auf die Pirsch. Hundert Meter nach Norden kriecht eine Klapperschlange aus dem Loch. In gleicher Entfernung Richtung Süden hoppelt ein Kaninchen umher. Beides sind Leckerbissen. Für welchen soll er sich entscheiden? Er wählt das Giftreptil und trottet im Bewußtsein seiner Unangreifbarkeit ebenso gemächlich wie unbekümmert los. Wozu eilen? Ihn kann nichts überraschen. Die Düfte, die ihn umwabern, verraten ihm allezeit, was seine noch völlig arglose Beute gerade tut und wohin sie sich wendet. Nichts bleibt ihm im Dunkel der Nacht, die ihm seine Nase zum Tage macht, verborgen. Verfügt er über magische Kräfte? Der Ruch jedes Säugetiers setzt sich aus 21 Duftkomponenten unterschiedlicher, aber typischer Stärke zusammen. An ihnen erkennt der Meisterschnüffler die Tierart wie auch das Individuum, sofern es ihm bekannt ist, und dessen Gemütszustand - Angst, Wut oder Liebesstimmung. Einer dieser Düfte verflüchtigt sich relativ schnell. Seine Stärke dient dem Stinktier als Maß der Entfernung zur Geruchsquelle. Da seine Nase noch zehntausendmal empfindlicher als die eines Spürhundes und letztere wiederum millionenfach besser als das Riechorgan des Menschen ist, entzieht sich dieses exorbitante Riechvermögen völlig unserem Vorstellungsvermögen. Doch ist sie eine sinnes-physiologische Tatsache. Plötzlich stutzt das Fleckenstinktier. Seine Schnüffelnase meldet ihm, daß ein Kojote auf leisen Sohlen, aber im gestreckten Galopp geradewegs auf es zukommt - ein noch junger, unerfahrener Steppenwolf. Also ist doppelte Vorsicht geboten. Ausreißen? Dergleichen hat ein Stänker mit seinen zwei Kilogramm Körpergewicht nie im Sinn! Sich verstecken? Auch das ist unter seiner Würde. Aber seine Nase folgt dem Feind wie ein Radargerät. Dann stehen sich beide im fahlen Mondschein gegenüber. Diese chemische Keule, die bis zu achtmal nacheinander zuschlagen kann, stinkt 6oo Meter weit nach einem Gemisch aus Knoblauchessenz, faulen Eiern und versengtem Gummi. Dem so beschossenen Menschen stockt der Atem. Er meint, ersticken zu müssen, und erbricht sich unter heftigem Würgereiz. Die Kleidung kann man nur noch verbrennen. Auf der Haut dringt das »Parfüm« porentief ein. Ein Bad bringt keine Abhilfe. Nach etwa einer Woche verfliegt der Gestank jedoch von selbst. Werden die Augen getroffen, kann das zu vorübergehender Erblindung führen. Auf Menschen üben die Iltisverwandten eine gewisse, mit Vorsicht gepaarte Faszination aus. Camper füttern sie gern mit Fleischlichem. Deshalb sind die Stänker im Zeltlager häufige Gäste und trotten dort ziemlich unbekümmert umher. Von ihrer unliebsamen Seite zeigen sie sich jedoch, wenn Autofahrer meinen, an Tieren, die eine Straße überqueren, rücksichtslos vorbeirasen zu können. Dann wird deutlich, wie blitzschnell diese reagieren und ihren »Saft« noch in ein offenes Seitenfenster spritzen können. In den USA und Mexiko halten sich Tierfreunde besonderer Art auch Skunks im Haus. Die seidenweichen Streicheltiere werden schnell sehr zutraulich, anhänglich wie Hunde und stänkern keineswegs überall herum. Abends werden sie munter, springen Herrchen und Frauchen auf die Schulter, verwirren die Hauskatze, spielen mit dem Hund und mit bunten Bällen. Farmer und Rancher schätzen sie, weil sie mit Schlangen kurzen Prozeß machen. Sie schrecken nicht einmal vor großen Klapperschlangen zurück, sind sie doch gegen deren Gift immun. Nahe der brasilianischen Stadt Manaus wurde ein Stinktier zehnmal von einer Buschmeister gebissen, einer der giftigsten Schlangen der Welt. Der Skunk zeigte nicht die geringste Wirkung. Doch das Reptil bezahlte den Giftspritzenangriff gegen den Giftgaskrieger mit dem Leben. Bei der Beutejagd nach Unterweltlern ist die Begabung mit dem Supersinn ebenfalls von Vorteil. Würmer, Schlangen, desgleichen Wespen- und Hummelnester wittert der Oberirdische noch in 15 Zentimeter Tiefe am Geruch. Im Handumdrehen gräbt er die Beute mit seinen kräftigen, spatenarugen Krallen aus und verzehrt sie mit Behagen. Auch Giftstachel stören ihn nicht beim Genuß. Einmal wurden in der Zunge eines Skunks 65 Bienenstachel gezählt. Er schleckte lustig weiter am Honig, den er erbeutet hatte. Macht dem Tier sein eigener Duft etwas aus? Es heißt ja:»Wer stinkt, riecht selbst nichts!« Das ist wohl nur zum Teil richtig. Mehrmals wurde beobachtet, wie ein Skunk, der unter einen Busch gekrochen war, beim »Parfümieren« auch einige Zweige streifte und so mit der eigenen Duftnote in Berührung kam. Das war ihm offensichtlich äußerst unangenehm, denn hernach wurde er geradezu zum Putzteufel und traktierte sein Fell dermaßen mit beiden Vorderpfoten, daß die Haare flogen. Da liegt es nahe zu fragen, ob die Skunks, wenn sie in Streit geraten, auch gegen Artgenossen anzustinken versuchen. Es ist seltsam, aber hierüber weiß die Wissenschaft noch nichts. Dabei sind die sonst so liebenswerten Tiere während der Paarungszeit recht streitsüchtig. Rivalen verfolgen und beißen sich. Doch vom »Supergau« einer Duftexplosion unter Konkurrenten ist bisher noch nichts bekannt. Die zwei bis zehn Babys, die nach einer Tragzeit von 59 bis 77 Tagen geboren werden, sind ganz nackte und blinde Winzlinge. Aber sie besitzen bereits ihre beiden Stinkdrüsen. Vom achten Lebenstag an liefern diese auch schon Miefmunition. Und wenn der kleine Wicht zu Beginn der dritten Lebenswoche zum erstenmal seine Augen öffnet, kann er seine Abwehrwaffe schon gezielt einsetzen, wenn ihn Feinde fressen wollen. Bereits als Kleinkind macht sie ihn unangreifbar. Dennoch erleben sieben von zehn Kindern ihren ersten Geburtstag nicht. Sie fallen Krankheiten zum Opfer, nicht zuletzt der Tollwut. Das ist die Schattenseite des sonst so perfekten Duftschutzschilds: Da es nur wenige Feinde gibt, müssen Krankheiten eine Überpopulation verhindern. Doch wer diese kritische Zeit überlebt, hat alle Chancen, das Höchstalter von zwölf Jahren zu erreichen. |
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Für alle Textinhalte und Fotos gilt ©2010 by Vitus B.Dröscher, Für alle Zeichnungen©2010 by Till ClaudiusDröscher ; Hamburg |
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