ANTARKTIS, EVANS KAP
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Die unendliche Geschichteaus König Salomons Ring

 Es ist Mitte April bei Kap Evans an der Küste der Ross-Insel, jenem Küstenstreifen am Rande des antarktischen Ross­Schelfeises, von dem Expeditionen während der »heroischenZeit« aufbrachen, um den Südpol zu erforschen und, wie Sir Robert Falcon Scott, tragisch endeten.

 Der Sommer auf der südlichen Erdhälfte ist vorbei. 14 Tage zuvor hatten schon die letzten Adeliepinguine ihre Brutkolonie, vor eisigem Frost und finsterer Polarnacht fliehend, eiligst verlassen. Da stapft eine Gruppe viel größerer Pinguine in entgegengesetzter Richtung im Gänsemarsch polwärts. Den Kopf tief eingezogen, die Federn dick aufgeplustert, kraxeln sie über aufgetürmte Eisschollen, hechten durch un­terkühltes Wasser, trotzen dem Schneesturm, der ihnen ent­gegenpfeift. Ihr Ziel ist der Ort der Liebeslust und der Freuden des Kinderkriegens. Und die Akteure sind die mit ausgestrecktem Hals bis zu 1,20 Meter messenden und 30 Kilogramm schweren Kaiserpinguine.

 Ausgerechnet dann, wenn alle anderen Zugvögel vor dem Einbruch des Winters wärmere Länder aufsuchen, begeben sich diese größten aus der Familie der »befrackten Oberkellner« zur kalten Jahreszeit in die kältesten, finstersten und lebensfeindlichsten Zonen der Welt, um sich hier zu lieben und Junge aufzuziehen!

 

 Wie sie bei Nacht und teils auch bei Nebel in jedem Jahr immer wieder denselben Ort finden, um erneut eine Brutkolonie zu gründen, steht in den Sternen. Ihr Ziel nach einer viele tausend Kilometer langen Seereise liegt auch nicht auffestem Land, das man nach Bergen oder Felsen wiedererkennen könnte, sondern auf einer Eisfläche, auf dem Schelf­oder Packeis, das so fest ist, daß es während der nächsten sieben Monate unter Garantie nicht brechen wird. Andernfalls wären alle Küken des Todes. Die Kaiserpinguine sind die einzigen ihrer Familie, die auf einer Eisfläche brüten. Alle anderen, auch die antarktischen Adeliepinguine, sind Sommerbrüter und wählen felsigen oder erdigen Untergrund für ihre Brutkolonie.

Pinguine beim "eistanz" Das hat seinen guten Sinn. Im Südsommer wird felsiger Boden von der Sonne lau angewärmt. Im Winter jedoch ist der Eispanzer über südpolarem Wasser wärmer. Die Temperatur des Wassers kann nie unter minus 2,4 Grad Celsius sinken, während die der Felsen ohne weiteres minus 35 Grad Celsius unterschreitet. Das Wasser sorgt also für halbwegs erträgliche Verhältnisse durch die Eisdecke hindurch sogar dann, wenn diese mehrere Meter mächtig ist. Damit ist der Kaiserpinguin der einzige Vogel der Welt, der in freier Wildbahn nie in seinem Leben festen Boden berührt.

 Gleich nach der Ankunft in der Brutkolonie versuchen die Männchen ihre vorjährigen Weiblein in der Volksmasse der 30000 bei Kap Evans wiederzufinden. Sie singen laut im Quäkton einer Kindertrompete und erkennen sich schließlich an der Stimme. Ihre Begrüßungszeremonie beschreibt Jean Prevost, ein französischer Pinguinforscher von Weltruf, wie folgt:

»Beide stehen sich gegenüber, den Kopf weit nach vorn und etwas zur Seite geneigt. So zeigen sie sich ihre bildschönen Balzabzeichen, die Kopfseitenflecke. Plötzlich werfen sie die Köpfe hoch, kippen etwas vornüber und lehnen sich Brust gegen Brust. So verharren sie unbeweglich und scheinen nichts von alledem zu spüren, was rings um sie herum geschieht. Das ist der siebte Himmel der Kaiserpinguine.«

 Erscheint der »Herr« zu Saisonbeginn einmal reichlich spät, kann es sein, daß sich bereits ein Rivale an seine »Frau«herangemacht hat. Dann baut er sich vor ihm auf und stößt ruckartig den »dicken« Bauch gegen den des Konkurrenten, so daß dieser nach hinten umkippt. Damit ist die Sache meist erledigt. Blutige Gefechte liefern sich die Weißbefrackten mit ihrem gefährlichen, messerscharfen Fischkillerschnabel so gut wie nie. Gelegentlich setzt es allerdings kräftige Backpfeifen. Als ein Forscher die Körpertemperatur eines Kaiserpinguins messen wollte, ging er durch solch eine Ohrfeige »bis neun zu Boden«.

 Die »Geburt« des einzigen Eies, anders kann ich es nicht beschreiben, findet etwa zwei Fastenmonate nach der Landung statt und trägt nahezu menschliche Züge. Das Weibchen krümmt sich unter Schmerzen, während das Männchen vor Aufregung, ratlosem Helfenwollen und Nichthelfenkönnen immer im Kreis um seine Kaiserin herumwatschelt und sich von ihr widerstandslos mit Schnabelhieben traktieren läßt. Sobald das einzige Ei gelegt ist, wirft sich der stolze Papa platt auf den Boden und stimmt ein Triumphgeschrei an, an dem sich sein Weibchen - nicht ganz so frenetisch - beteiligt.

 Bald verlangt der »Herr«, das Ei zu übernehmen. Unter einem speziellen Eigesang und zahllosen »japanischen« Verbeugungen wird das Jongleurkunststück des Eibalancierens von den Füßen der Mutter zu denen des Vaters vollbracht. Das Ei darf höchstens für Sekunden Eis oder kalten Schnee berühren, soll der Fötus nicht absterben. Jeder längere Kontakt führt unweigerlich zum Tode. Hat der Balanceakt ein glückliches Ende genommen, stimmen beide ein neues Lied an, den sogenannten Abschiedsgesang, der ganz anders als der zuvor erwähnte Eigesang klingt. Nun umwatschelt das Weib den Mann. Langsam entfernt es sich von ihm, kehrt wieder zurück, singt ergreifende Abschiedsstrophen und paradiert stelzbeinig. So geht das schier endlos hin und her. Doch jedesmal entfernt sich die Pinguinin ein Stück weiter, bis sie in der Finsternis der südlichen Polarnacht verschwindet und das allein brütende Männchen für volle zwei Monate im Zauber südlicher Polarlichter, aber auch im mitunter wochenlangen Toben der Naturgewalten zurückläßt.

 Während die Adeliepinguine im Frühjahr Entfernungen von bis zu 6o Kilometern zu Fuß übers Packeis bewältigen mußten, ehe sie offenes Wasser erreichten, so liegen vor der Kaiserin jetzt bei viel tieferen Temperaturen bis zu 100 Kilometern Fußmarsch über schroffes Meereis und die gleiche Strecke noch einmal für den Rückmarsch. Der Packeisgürtel um den gigantischen Südkontinent wird täglich um 4,2 Kilometer breiter. Stürme türmen Schollen zu Barrikaden. Daher die zweimonatige Trennungszeit.

 Manchmal kann der Fußmarsch erheblich abgekürzt werden: dann nämlich, wenn im Packeis durch Meeresströmungen oder ablandige Winde ein eisfreier »See«, eine sogenannte »Polynya«, aufgerissen wird. Hier sammeln sich Fische, Kalmare und Krill in dichten Massen: ein Schlaraffenland! Mit Hilfe der Telemetrie und Satellitentechnik stellten Forscher fest, daß die Pinguine aus großer Entfernung gera­dewegs auf die Polynya zusteuern. Aber wie die Fußgängervögel diese »Oasen der Eiswüste« finden, bleibt uns vorerst rätselhaft.

Vitus in der Antarktis mit Adeli Pinguinen Das Los der zurückbleibenden Männchen ist extrem hart. Bei Frost bis minus 40 Grad, Superorkanen mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 130 Stundenkilometern, wochenlangen Schneestürmen und lichtblickloser Finsternis ist in drei- bis viermonatiger Hungerzeit ihr einziges Ziel, sich und das Ei durchzubringen. Der Vater balanciert das elf Zentimeter lange 450-Gramm-Ei, das in Relation kleinste Ei der Vogelwelt, auf dem Nestersatz seiner warm durchbluteten Füße und stülpt eine gefiederte Bauchfettfalte als »Eierwärmer« darüber. Berührt das Ei auch nur 18 Sekunden lang Schnee oder Eis, stirbt der Embryo. Der Pinguin lüftet dabei sogar seine Füße an, so daß er nur mit den Karpalgelenken, quasi den »Hacken«, in einem Dauerbalanceakt sondergleichen Bodenberührung hat.,

 Wenn der eisige Sturm losbricht, drängen sich die werdenden Väter zu jeweils 500 bis 6oo Tieren dicht an dicht im Kreis zusammen, zur sogenannten »Schildkröte«, um sich gegenseitig Wärme und Windschutz zu geben. Die Köpfe eingezogen und an den Vordermann gelehnt, stapfen alle langsam immerzu im Kreis umher, stunden-, tage-, mitunter wochenlang - voll unbeugsamen Willens, die Zeit der Not zu überdauern. Nur nicht stehenbleiben! Nur nicht einschlafen! Das wäre der Tod.

 So gelangen die Vögel von der Luv- bald an die günstigere Leeseite in den Windschatten. Zudem rotiert die Masse langsam in sich, damit die außen Laufenden für einige Zeit auch in den Genuß der wärmeren Mitte kommen, wo die Temperaturen um 6o Grad höher liegen als außen.

  Das Überleben in der Eishölle ist nur durch eine phantastische »Warmhaltepackung« möglich. Unter der Haut liegt ein zwei bis drei Zentimeter dickes Fettpolster. Dieses wird zunächst von der »Thermo-Unterwäsche« aus flauschigen Daunen und dann von einem wasserdichten, luftlialtigen Federkleid umhüllt. Es isoliert so gut, daß herniederrieselnder Schnee auf dem Rücken nicht schmilzt. Solchermaßen geschützt, halten die Schwimmvögel eine konstante Körpertemperatur von 39 Grad Celsius. Diese Körperwärme ist also um zwei Grad höher als unsere und macht sie zu besonders warmen Warmblütern.

 Natürlich könnten die Väter der Eishölle entfliehen, ihr Ei im Stich lassen und zum Fischfang eilen. Aber sie harren hungernd eisern aus - mit zwei Ausnahmen:

 1. Wenn der männliche Pinguin in der Endphase des Brütens spürt, daß im Ei keine Eigenwärme produziert wird, der Embryo mithin tot ist, läßt er alles stehen und liegen, wartet auch nicht mehr auf die Rückkehr seines Weibchens und watschelt stracks in Richtung Meer.

 2. Sollte sich durch mißliche Umstände seine körperliche Verfassung lebensbedrohend verschlechtern, bricht er ebenfalls die Brut ab. Ganz normal ist eine Hungerzeit von 20 Tagen für den Anmarsch zur Brutkolonie plus 30 Tage für die Balz plus 62 bis 64 Tage für die Brut, also insgesamt fast vier Monate. Ganz normal ist auch, daß der Vater dabei ein Drittel seines Körpergewichts von 30 Kilogramm verliert und zum Skelett abmagert. Aber wenn es noch schlimmer kommt, läutet bei ihm eine Art Alarmglocke und veranlaßt ihn, das Brüten aufzugeben und zum Meer zu eilen. Schließlich kann er, wenn er sein Leben rettet, während vieler nachfolgender Jahre noch zahlreiche weitere Kinder zeugen. Später vermag er sich das Abgehungerte übrigens in 14 bis 24 Tagen wieder anzufuttern, ohne gesundheitliche Schäden zu erleiden.

 Kurz vor der Rückkehr der Weibchen sehen die Väter einem freudigen Ereignis entgegen: In ihrer Bauchfalte schlupft ein brathähnchennacktes Junges aus dem Ei. So ausgemergelt das Männchen auch ist, so liebevoll füttert es seinen hungri­gen Sprößling. Ja, womit denn? Mit einem milchartigen Kropfsekret. Jawohl, dieser Vogelmann produziert für sein Kind eine Art »Milch«!

 Dann endlich, Anfang August, wenn die Sonne nach langer, nur von Südlichtern erhellter Polarnacht ihre ersten Strahlen über den Horizont schickt, kehrt auch die Kaiserin mit sieben Pfund Fisch im Kropf zurück, um ihr Kind, das »Vati« inzwischen bekommen hat, zu betrachten und zu füttern.

 Die zweite Phase der Kinderbetreuung beginnt: der elterliche Futterpendelverkehr. Immer abwechselnd bleibt einer beim Einzelkind, während der andere Nahrung heranschafft. Die Ablösung erfolgt wegen der langen Ab- und Anmarschwege im Bauchrutschmarsch übers Packeis zunächst im vierwöchigen, dann, nach dem teilweisen Rückgang des Eisgürtels, im dreiwöchigen Turnus. Für beide Elternvögel gibt es nur einen Hinderungsgrund, nicht wieder heimzukehren: den Tod. Eine innigere Liebe der Eltern zu ihrem Einzelkind ist kaum vorstellbar.

 Auf der Jagd nach Nahrung erweisen sich die Kaiserpin­guine als Schwimm- und Tauchartisten von beachtlichem Format. Neuesten Forschungen zufolge können sie ein Marsch-Schwimm-Tempo von elf und eine Höchstgeschwin­digkeit von 25,5 Kilometern pro Stunde erreichen. Sie sind also fast so schnell wie ein Passagierschiff. Sie fliegen regelrecht unter Wasser. Das heißt, sie führen mit den Flügeln nicht etwa Brustschwimmbewegungen aus wie wir Menschen, auch keine Kraul- oder Butterflybewegungen wie etwa die Dampfschiffenten Feuerlands. Vielmehr schlagen sie nur auf und ab, wobei sie den Anstellwinkel der Flügel verändern - eben wie ein Vogel. Ferner können sie, wie neueste telemetrische Forschungen gezeigt haben, bis zu 535 Meter tief und 15 Minuten lang tauchen.

 Ihre Beute sind Fische und Tintenfische, vor allem die sogenannten "Kleinen Antarktisheringe" der Art Pleurogramma antarctica, die zeitweise in riesigen Schwärmen auftauchen. Die Jungtiere können gewaltige Portionen davon verdrücken. Wenn das Küken zum Beispiel ein Gewicht von einem Kilogramm erreicht hat, also im Vergleich zu den 30 Kilogramm schweren Eltern noch sehr klein ist, kann es schon 6oo Gramm Futter auf einmal verschlucken. Später verschwindet der gesamte elterliche Mageninhalt von etwa zehn Kilogramm Fisch auf einmal im futterheischenden Kükenschnabel. Derart abgefüllt, liegen die Kleinen danach stundenlang bewegungslos auf dem eisigen Boden.

 Die dritte Phase der Brutfürsorge läutet das Küken ein, wenn es so groß und so hungrig geworden ist, daß beide Adeli junges mit MutterEltern gleichzeitig Futter heranschaffen müssen, um ihren kleinen Gierschlund zu sättigen. Dann geben sie ihr Kind in einen bis zu 200 Mitglieder zählenden Kindergarten. Hier schützen sich die Jungen gegenseitig vor Skua-Raubmöwen. Und bei Schneesturm wärmen sie sich ähnlich den Erwachsenen, indem sie sich ebenfalls zu einer »Schildkröte« formieren.

 Die Kaiserpinguinküken sind übrigens die bravsten von allen Jungpinguinen. Wie Kegelfiguren stehen sie da, krakeelen nicht viel herum, streiten sich kaum und warten ohne Murren, bis die Eltern kommen und ihnen Futter bringen. Logisch: An diesem extrem lebensfeindlichen Ort würde jede Unfolgsamkeit unerbittlich mit dem Tode bestraft!

 Anfang Dezember bricht unter den wärmenden Strahlen der höher steigenden Sonne der Packeisgürtel in großen Schollen auseinander. Das ist die Zeit für jung und alt im Reich der Kaiserpinguine, die Kolonie in kleinen Geschwadern zu verlassen, um in den Weiten der südlichen Ozeane das Jagdglück und Erholung von den Strapazen der Jungenaufzucht zu suchen.

 Es ergibt sich für die Kaiserpinguine folgende Gesamtsituation: Derzeit leben etwa zwei Millionen dieser Vögel in insgesamt 18 Brutkolonien an der Peripherie des großen Südkontinents.

 Was die Elternvögel hier zu leisten haben, sei mit folgender Aufstellung noch einmal gewürdigt: 20 Tage Anmarsch vom Meer zum Brutplatz, Ankunft dort Mitte April; 45 Tage Partnersuche, Balz und Synchronisation der Fortpflanzungsphysis bei Männchen und Weibchen, Eiablage Mitte Juni; 64 Tage Brut, Schlüpfen der Jungen Anfang - Mitte August; 100 Tage Jungenaufzucht, Verlassen der Kolonie Anfang Dezember. Das sind insgesamt 229 Tage pro Jahr voll unsäglicher Mühen, Aufopferung »nur« für das eine Einzelkind und kaum vorstellbarer Entsagung im Ertragen extremer Naturgewalten und bohrenden Hungers. Eine derartige elterliche Leistung (in der Verhaltensforschung sprechen wir von »Eltern-Investition«) wird mit Ausnahme des Königsalbatrosses von keinem anderen Lebewesen übertroffen.

 So verbleiben den Kaiserpinguinen im Jahreslauf immer­hin theoretisch noch 136 Tage Frei- und Freßzeit. In der Praxis ist das jedoch nicht der Fall. Denn nach etwa vier Wochen Erholung setzt bei diesen Vögeln die Mauser, das heißt der Gefiederwechsel, ein. Das Federkleid ist zerschlissen, vor allem vom vielen Rutschen auf dem Bauch, und muß erneuert werden. Die Vögel hüpfen wiederum aufs Packeis, marschieren in kleinen Gruppen aus der Gefahrenzone, in der möglicherweise Seeleoparden und andere Feinde lauern, und werfen dort im antarktischen Hochsommer alle Federn zugleich ab. Wir bezeichnen das als »Katastrophen-Mauser«. Die Federn fliegen umher wie Schneegestöber.

 Nun stehen sie nicht etwa splitterfasernackt da. Die neuen Federn haben die alten herausgestoßen und schieben gleich nach. Aber die einst so stolzen Kaiserpinguine sehen nun aus, wie von Motten zerfressen, weil das alte Kleid tagelang in Fetzen über dem neuen hängenbleibt. Solange die Federn nicht vollständig nachgewachsen sind, was 35 bis 40 Tage in Anspruch nimmt, können die Kaiserpinguine weder schwimmen noch tauchen, also auch nicht jagen - und müssen abermals vier Wochen lang hungern. Erneut verlieren sie bis zu 40 Prozent des Körpergewichts. Die Haut schlottert ihnen dann buchstäblich am Leibe.

 Das neue Prachtgewand muß übrigens mit einer Creme aus der eigenen Kosmetikfabrik gepflegt werden. In der Nähe des Bürzels sitzt eine Drüse, die ein Öl produziert, das die Tiere mit dem Schnabel im Gefieder verreiben, um es was­serabstoßend zu machen. Zudem besitzt das Bürzelöl Anti­fouling-Eigenschaften, etwa so wie guter Bootslack. Es verhindert, gleichsam als Naturmedizin, den Befall mit Pilzen, Bakterien und Algen.

 Ist die Bekleidung endlich perfekt, stehen den Kaiserpin­guinen gerade noch 66 Tage, also zwei Monate zur Verfügung, um sich wieder satt- und fitzufressen. Danach zwingt sie schon wieder ein unbändiger innerer Drang, sich auf die Wanderschaft zu jenem Ort zu begeben, an dem die Liebe, aber auch unendlich viel Arbeit und Not auf sie wartet. Trotzdem vermag nichts auf der Welt die wunderlichen Gesellen davon abzuhalten.Wenn ich mir ein Tier als Symbol der Elternliebe zum Kind erwählen wollte, würde ich mich für den Kaiserpinguin entscheiden.

Nicht minder phantastisch, wenngleich von ganz anderer Art, sind die Liebesdienste, die Walmütter ihren Kindern angedeihen lassen.

Für alle Textinhalte und Fotos gilt ©2010 by Vitus B.Dröscher, Für alle Zeichnungen©2010 by Till ClaudiusDröscher ; Hamburg

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